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In der Wüste spielt die Musik?

Das eigentlich trockene Wüstenemirat Katar ist eine Halbinsel im Persischen Golf, umgeben von viel Wasser. Traditionelles Dhau-Boot vor der Skyline der Hauptstadt Doha. Foto: OHA

Juli/März 2019. Katar, das kleine Emirat auf der arabischen Halbinsel, hat mehr zu bieten als Baustellen für Fussballstadien und einen Flughafen mit einer 6,8 Mio Dollar teuren Teddy-Bär-Skulptur von Urs Fischer in der Abflughalle. Es gibt dort am Persischen Golf nämlich auch Museen, Universitäten und das Qatar Philharmonic Orchestra, das 2018 bereits sein 10jähriges Bestehen gefeiert hat. Ein Deutscher Violinist ist dort nun Konzertmeister, ein weiterer Deutscher Orchestermanager, und Ende März eröffnete das neue Nationalmuseum von Katar, ein spektakulärer Neubau von Stararchitekt Jean Nouvel zur Musik von House of Cards-Komponist Jeff Beal.

Streit um den Nachrichtensender Al Jazeera, Probleme mit dem großen Nachbarn Saudi-Arabien und dem kleinen Nachbarn Vereinigte Emirate über das Verhältnis zum Iran, Berichte über Unfalltote auf den vielen Baustellen und Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe der Fussballweltmeisterschaft - Katar ist zwar Dank Öl und Gas ein Wirtschaftswunderland und beim Bruttoinlandsprodukt das reichste Land der Erde, aber Katar hat auch ein Imageproblem, das mit noch mehr funkelnden Hochhäusern oder dem Lächeln der Qatar Airways-Stewardessinnen und Stewards allein nicht überdeckt werden kann. Deshalb werden zurzeit viele Journalisten aus ganz Europa in das Emirat am Persischen Golf eingeladen, um auch mal über andere Themen zu berichten, zum Beispiel Kultur und Wissenschaft, Bildungseinrichtungen, einen hippen Wochenmarkt oder die lokale Musikszene. Wir haben die Einladung angenommen und das Orchester in Doha, einige Museen und den Sender Al Jazeera besucht. Äußerer Anlass: am ersten Samstag im März 2019 fand unter dem Titel Rossini and Vieuxtemps: Spectacle and Brilliance das Einstandskonzert des aus Süddeutschland stammenden Geigers Reto Kuppel als Konzertmeister beim Qatar Philharmonic Orchestra (QPO) in Doha auf dem Programm.

Unser Gastgeber lädt uns gleich nach Ankunft zu einer Balcony-Tour ein. Wir dürfen ins Hauptquartier der Qatar Foundation, einem strahlend weißen Kubus in der Education City von Doha, umgeben von zahlreichen Ablegern internationaler Universitäten und mehreren im Bau befindlichen Stadien, die man von dem offenen Zwischengeschoss des Hauses gut sehen kann. Dort zeigen uns junge eloquente Mitarbeiter was diese Stiftung alles leistet. Diese sehr umfassende Behörde wurde 1995 vom Vater des aktuellen Emirs Hamad bin Chalifa Al Thani und seiner zweiten Frau Sheikha Moza bint Nasser gegründet, die die Qatar Foundation heute noch leitet und vorantreibt. Es geht vor allem darum, neben der Öl- und Gaswirtschaft in Kultur, Wissenschaft und Bildung weitere volkswirtschaftliche Standbeine zu erlangen. Die Gesellschaft soll entwickelt, Innovationen gefördert werden.

Auch im Ausland ist die Qatar Foundation aktiv. Sie hat laut Wikipedia im Jahr 2010 rund 170 Millionen EUR in Trikotwerbung beim FC Barcelona investiert oder unterstützt Hilfs- und Entwicklungsprojekte in Gaza, die direkt oder indirekt auch der dort herrschenden Hamas helfen könnte, die bekannterweise auch Gewalt als politisches Mittel im Kampf für einen eigenen palästinensischen Staat anwendet. Aus möglicherweise gutgemeinter Hilfe für eine notleidende arabische Bevölkerung in der Nachbarschaft wird so schnell in den Augen politischer Gegner Unterstützung von Terror, ein schlimmer und diskreditierender Vorwurf der das Klima im Nahen Osten vergiftet.

Food-Market zwischen Universitäten

Verkaufen lernen: Studentinnen an einem eigenen Stand mit Kosmetika. Foto: OHA

Davon ist hier Samstagmittags auf dem Torba-Market in Doha nichts zu spüren. Im angenehmen Halbschatten unter Sonnensegeln direkt neben dem Zeremonialplatz in der Education City gelegen, wo sonst Studenten ihre Abschlüsse von einer der sieben Außenstellen amerikanischer, englischer und französischer Universitäten feiern, die hier neben der landeseigenen Hamad Bin Khalifa Universität existieren, sind ein, zwei Dutzend Stände mit lokalen Leckereien zu bestaunen. Studenten probieren sich hier am Verkauf von selbst hergestellten Lebensmitteln, Parfüms oder Kräutern aus heimischen Anbau, sammeln Geld für ein gemeinnütziges Kinderprojekt. Über den Platz schallt englischsprachiger HipHop, europäische, asiatische und arabische Studenten flanieren, essen, unterhalten sich. Einige Araberinnen tragen schwarzes Kopftuch und schwarzes Überkleid über Sneakers oder hochhackigen Schuhen. Andere zeigen ihr Haar offen, eine europäische Studentin steht mit bauchfreiem Shirt in der Frühlingssonne. Wen man auch anspricht, alle hier sprechen fließend Englisch, geben sich eloquent und selbstbewusst. Eine Atmosphäre, gut gelaunt, leichtfüßig und international wie in Berlin, nur eben ohne all das Subversive, Oppositionelle, Schmutzige und manchmal auch Punkige der deutschen Hauptstadt.

Gewürze, Teppiche, Falken und ausgestopfte Löwen: Souk Waqif

Auch Pferde gibt es auf dem Markt zu kaufen. Foto: OHA

Deutlich wuseliger und traditioneller als der aufgeräumte Torba Market in der Education City ist der Souk Waqif im historischen Viertel von Doha Katara. Dort bekommen Einheimische und Touristen in schmalen, teils überdachten Gassen Teppiche, Schmuck, Stoffe, Kleider, Gewürze. Bunte Vögel zwitschern in Käfigen, Hundewelpen in ebensolchen warten auf Käufer. Ein Spezialgeschäft hat einen ausgestopften Löwen, Vögel und Antilopen. Wie in vielen anderen Geschäften kann man Handwerkern bei der Arbeit zusehen. Hier wird gerade der Kopf eines Oryx präpariert. Im Laden gegenüber sitzen die Näher im Schneidersitz auf dem Boden. Ein eigener Teil des Marktes widmet sich den Falken für die Jagd und der dafür nötigen Ausrüstung. Es gibt Ärzte und sogar ein Krankenhaus für die Falken. Die Raubvögel stehen in den Läden angebunden auf langen Stangen, teilweise sind die Augen mit einer Maske verdeckt, vor ihnen liegt rohes Fleisch, an dem sie knabbern, während die Verkäufer gelanweilt auf ihre Laptops und Telefone starren. In einer Ecke des Marktes finden sich auch Pferde zum Verkauf. Verschleierte Frauen bieten rund um einen Baum Selbstgekochtes aus großen Töpfen. Einheimische und Gäste sitzen in Restaurants und Teestuben. Auch wenn hier alles sehr altertümlich wirkt, selbst der kleinste Händler bietet Zahlung per Kreditkarte, unter dem Souk gibt es eine Tiefgarage und die Polizei hat ein spezielles Minimobil für Einsätze vor Ort.

Autofahrt durch das abendliche Doha, die Großstadt am Arabischen oder Persischen Golf, die vielen in Deutschland vor allem als Zwischenstopp in Richtung Asien nach Thailand, Indien, Japan bekannt ist. Links und rechts glitzern die spektakulären Hochhausfassaden des in rasanten Wachstum befindlichen ehemaligen Emirats von Beduinen, Fischern und Perlentauchern, das inzwischen nicht nur ein wichtiges Luftdrehkreuz und ein lukrativer Öl- und Erdgaslieferant ist, sondern 2022 der erste Austragungsort einer Fußballweltmeisterschaft im arabischen Raum sein wird.

Der vor 73 Jahren in München geborene Fagottspieler und Kulturmanager Kurt Meister ist der Direktor des Orchesters. Der kommunikative Deutsche lässt es sich nicht nehmen, seine Journalistengäste höchstpersönlich vom edlen Hotel abzuholen und im einst zum Fuhrpark des Emirs von Katar gehörenden auberginefarbenen Bentley zum Konzert zu fahren, um dabei von seiner Arbeit zu erzählen. Bei der Gründung des QPO im Jahr 2007 durch Sheikha Mozah Bint Nasser Al-Missned, der Ehefrau des ehemaligen Emirs, hat es 3600 Bewerber um die Orchesterstellen gegeben, von denen 2600 zu Vorspielen in mehreren europäischen und arabischen Städten geladen wurden, erzählt Meister stolz. Im Oktober 2008 spielte das Orchester sein Eröffnungskonzert unter der Leitung von Lorin Maazel. Es führt inzwischen 40 bis 50 Programme pro Jahr auf. Daneben sind die Musiker in kleineren Ensembles und als Solisten auch auf vielen weiteren Veranstaltungen im Land beschäftigt und sehr gefragt.

Das Publikum verlangt Vielfalt: europäische Klassik, arabische Komponisten, Filmmusik und Jazz

Das Qatar Philharmonic Orchestra spielt dabei nicht nur das symphonische Repertoire Europas, sondern widmet sich auch der arabischen Musik, führt Werke renommierter, aber auch junger arabischer Komponisten und Komponistinnen wie Marcel und Rami Khalife, Houtaf Khoury oder Dana Al Fardan auf. Dabei werden auch arabische Musikinstrumente in das Orchester integriert. Es gab bereits Konzerte mit der arabischen Laute Oud (von Komponist Abdalla El-Masri), der Zither Kanun oder der Kniegeige Rabab, die nur zwei bis drei Saiten besitzt und einen Resonanzkörper aus einer Kokosnuss. Nicht nur die Gründerin des Orchesters ist eine Frau, auch rund ein Drittel der Orchestermitglieder sind derzeit Musikerinnen.

Damit der künftige Nachwuchs für das Orchester auch aus dem eigenen Land kommt, wurde die Qatar Music Academy gegründet, die wir am Tag nach dem Konzert besuchen. Eine Musikschule, die künftig vielleicht auch noch um eine Musikhochschule erweitert wird, und die sowohl die einheimische arabische Musik und ihre Instrumente unterrichtet, als auch die klassischen europäischen Instrumente. Die gut ausgestattete Musikschule ist mitten im alten Stadtviertel Katara gelegen und wird geleitet von Dr. Abdul Ghafour Al Heeti. „Unsere Klaviere kommen aus Deutschland von Steinway“, zeigt er uns stolz. Die Qatar Music Academy hat ein an britische Musikschulen angelehntes Prüfungssystem mit vielen Stufen und Zwischenzeugnissen bis hin zur Hochschulempfehlung.

Orchestermitglied nach nur einem Jahr Unterricht, das geht auch hier nicht

Neben dem Einzelunterricht gibt es hier auch viele Ensembles: Bläser-, Streicher-, Percussiongruppen. Und es werden sowohl europäische Chormusik als auch arabische Lieder im Jawqa, also im Chor, gesungen. An der Pinnwand im Gang hängen die Übungsanweisungen vom amerikanischen Startrompeter Wynton Marsalis. Von der Vorstellung manch einheimischer Eltern, dass die Kinder dann nach einem Jahr Unterricht doch bitte schön im Qatar Philharmonic Orchestra mitspielen könnten, mussten sie sich allerdings verabschieden, erklärt uns Kurt Meister. Bis zum professionellen Instrumentalisten ist es auch hier ein langer Weg, der nicht nur Talent sondern auch eine oder anderthalb Dekaden Fleiß und Disziplin braucht und nicht nur ein Jahr. Ein Flughafen oder ein ganzes Stadtviertel hochzuziehen, geht hier in Katar schneller, als die Ausbildung auch nur einer einzigen Geigerin zu einer Orchestermusikerin. So viel Geduld hat nicht jeder mit sich oder seinen Kindern.

Abbey Road Studios als Vorbild

In direkter Nachbarschaft der Qatar Music Academy befinden sich die Katara Studios. Als wir die Räume betreten, sind der große Aufnahmeraum und einige kleinere Studioräume gerade im Umbau. Die riesigen Mischpulte sind unter Schichtholz vor dem Baustaub gesichert. Hier sollen bald wieder Orchester, Kammermusikensembles und Bands Musik für Filme oder Alben aufnehmen. Um die Wünsche der Kunden zu erfüllen wird die Akustik verbessert, die heute üblichen großen Bildschirme in den Studios verursachen Probleme, die der Studioleiter Matthew Howe mit dem Umbau in den Griff kriegen will. Für den optimalen Sound hat er sich die Mikrofonliste der legendären Abbey-Road-Studios in London zum Vorbild genommen. Damit in Zukunft nicht nur lokale Musikprojekte wie die für die Netflix-Serie Medinah, sondern auch internationale Produktionen hier nach Doha gelockt werden können. Im Katara Cultural Village gibt es daneben auch ein Opernhaus und ein Amphitheater mit Ausblick über die Stadt. Reichlich Platz für Veranstaltungen und Aufnahmen aller Art.

Zurück zu Orchestermanager Kurt Meister. Ganz einfach ist das Zusammenstellen von symphonischen Konzertprogrammen für das Publikum in Doha nicht, gibt Meister zu, während er uns zum Konzert fährt. Filmmusik sei eine bei den Katarern noch viel beliebtere symphonische Spielart als das eigentlich symphonische Kernrepertoire Europas. Neben der Filmmusik kommen auch orchestrale Jazzkonzerte á la Frank Sinatra sehr gut beim einheimischen Publikum an. Das symphonische Kernrepertoire hingegen brauche mehr Vermittlung, um das einheimische Publikum anzuziehen, insbesondere wenn keine internationalen Stars auf der Bühne stehen. Atonale und experimentelle Klänge des 20. und 21. Jahrhunderts stehen eher nicht auf dem Programm.

Hollywood-Komponist zur Eröffnung des National Museums

Das Nationalmuseum kurz vor der Eröffnung im März 2019. Foto: OHA

Für die siebenteilige Netflix-Serie Medinah aus dem Jahr 2016 hat das Orchester die Titelmusik eingespielt. House of Cards-Titelmusikkomponist Jeff Beal hat für die Eröffnung des neuen Nationalmuseums Musik komponiert, die dann bei der Feier Ende März 2019 von Teilen des Qatar Philharmonic Orchestras aufgeführt worden ist. Jeff Beal begegnet uns unerwartet bei der Besichtigung des noch in den letzten Zügen der Eröffnungsvorbereitungen befindlichen Qatar National Museums. Ein imposanter Bau, entworfen von Architekt Jean Nouvel, in Form eines Kristalls namens Wüstenrose, an dessen Formen man sich nicht sattsehen kann. Die scheinbar frei schwebenden, ineinander verschachtelten weißen Betonscheiben bieten immer neue Ansichten und kontrastieren mit dem im Vergleich schlichten restaurierten Palast der bis heute herrschenden Emir-Familie Al Thani. Während sich die letzten Bauarbeiter noch an der Fahnenstange im Innenhof zu schaffen machen, bespricht Beal den Aufbau der Lautsprecher. Für die Eröffnung hat Jeff Beal ein Orchesterstück komponiert, dass sowohl europäische, als auch arabische Instrumente verwendet.

Die Musiker und Musikerinnen des Qatar Philharmonic Orchestras stammen aus 28 Nationen. Besonders stolz ist Kurt Meister darauf, dass achtzig Prozent der Musiker der Erstbesetzung nach über zehn Jahren noch immer da sind, erzählt er den Reportern aus Berlin, die er mit großem Vergnügen eigenhändig durch die Stadt chauffiert und dabei immer wieder mit Anekdoten aus seinem langen Leben als Orchestermanager in München unterhält. Er war bereits im Ruhestand, als eine zufällige Begegnung mit einem Dirigenten ihn darauf aufmerksam machte, dass in Katar ein Orchestermanager zur Gründung eines neuen Orchesters gesucht wurde. Eine Aufgabe, die den heute 73jährigen vor mittlerweile 12 Jahren sehr reizte und dazu brachte mit seiner Frau von München nach Doha umzusiedeln.

Kultur als Sinnstifterin zwischen Riesenbauten

Links und rechts der vielspurigen Straßen Dohas glitzern die beleuchteten Hochhausfassaden und die der vielen Villen und Regierungspaläste, Ministerien und Botschaften. Bei Tag säumen die zahlreichen Baustellen und ihre stets behelmten und mit Tüchern gegen Sonne und Staub geschützten, an moderne Großstadtbeduinen erinnernden Bauarbeiter die Straßen. Die Katarer haben möglicherweise von dem PR-Super-Gau gelernt, der ausgelöst wurde durch Berichte über viele Unfalltote auf den Stadionbaustellen, von denen jeder einzelne natürlich auch eine menschliche Tragödie darstellt und einer ganzen Familie irgendwo im Ausland den Vater, den Sohn, den Ernährer, den Unterstützer genommen hat.

Wer genau hinschaut, sieht bei den Bauarbeitern Helme, Leuchtwesten, Sicherheitsschuhe und auf vielen Baustellen Schilder mit Anweisungen zur Einhaltung von Sicherheitsregeln. Doch Helme und Schuhe alleine schützen nicht vor Unfällen, die Arbeitsbedingungen sind ebenso wichtig. Im kommenden Sommer sollen die Arbeitszeiten der Bauarbeiter der unmenschlichen Hitze besser angepasst und mehr in den Morgen und Abend verlegt werden. Es seien 50.000 neue Wohnungen für die einfache Bevölkerung Katars im Bau. Auch direkt vor dem Convention Center wird noch gebaut. Der Emir höchstpersönlich scheint von seinem großen Porträt an der Fassade diese und die vielen anderen Baustellen und Entwicklungen des Landes zu überwachen. Wo bei uns in Deutschland viele Baustellen teils über Wochen verwaist erscheinen, sehen wir hier viele Menschen bei der Arbeit, beim Hochziehen von neuen Gebäuden, Straßen, Beleuchtung, Gartenbauarbeiten. Ein Bild, das zurzeit so prägend für Katar ist, dass wir es sogar im Arab Museum of Modern Art (Mathaf) wiederfinden. Der katarische Künstler Faraj Daham gibt den zumeist ausländischen Bauarbeitern in seinem Gemälde Truck and Workers von 2011 ein Gesicht und hält ihren Anteil am Entstehen des modernen Katar fest, wie man in der aktuellen Ausstellung des Museums sehen kann, die sich u.a. mit der sich verändernden Gesellschaft Katars beschäftigt.

Das Orchester überbietet den Tarif, den es hier nicht gibt

Im Gegensatz zu den aus westlicher Sicht niedrigen Löhnen der Bauarbeiter, einfachen Arbeiter und Dienstleistenden in Katar bietet das Orchester für professionelle Musiker aus der internationalen Klassikwelt attraktive Bedingungen. Es orientiert sich am Tarifniveau des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dessen Direktor Kurt Meister viele Jahre war und überbietet es um ein paar Prozentpunkte. Hinzu kommen eine Heimreise pro Jahr, Schulgeld für die Kinder, denn die Schulen in Katar sind kostenpflichtig, Krankenversicherung und ein pauschales Wohngeld, erklärt Kurt Meister. Die Musiker können damit selbst entscheiden, ob sie vor Ort eher teuer oder preiswert leben möchten. Einen Orchestertarifvertrag wie in Deutschland üblich, gibt es hier aber nicht.

Kurt Meister selbst lebt in dem künstlich aufgeschütteten Stadtteil The Pearl, in dessen Mitte das orientalisierende Palasthotel Marsa Malasz Kempinski The Pearl umgeben von Palmen, Pflanzen, Swimming Pools und einem eigenen Strand thront. Kurt Meisters Wohnblock mit den farbenfrohen Fassaden, der für Doha niedrigen Traufhöhe und den Brücken über künstlichen Kanälen gefüllt mit türkisblauem Wasser erinnert an die italienische Lagunenstadt Venedig. Gerne empfängt er dort gemeinsam mit seiner Frau Gäste, wie den Dirigenten Marcus Bosch oder Reporter wie uns, die auf Einladung seines Arbeitgebers den Weg nach Doha gefunden haben. Anstatt im Restaurant bewirten die Meisters ihre Gäste gerne selbst, ganz so wie sie es früher in München getan haben, wo Dirigentenstars wie Lorin Maazel oder Leonard Bernstein bei Ihnen zu Gast waren.

Orchestermanager Kurt Meister. Foto: OHA

Samstagabend, nach halbstündiger Fahrt angekommen im Qatar National Convention Center (QNCC, www.qncc.qa). Wir gleiten im Bentley von Kurt Meister in die unterirdische Tiefgarage, eine weitere weitläufige Katakombe für das autoverrückte Katar. Hier in Doha gilt noch das Ideal der autogerechten Stadt. Eine erste Tram in die Education City mit ihren acht Universitäten und der Nationalbibliothek befindet sich noch im Bau. In vier Tagen Aufenthalt sieht der Verfasser dieser Zeilen nur einen einzigen Fahrradfahrer. Für ökologischere Varianten, als Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren ist hier also noch reichlich Potential, wenn wir mal absehen von der Leibgarde des Emirs, die man mit etwas Glück barfuß auf Kamelen durch die Stadt reiten sehen kann.

Das von dem Japaner Arata Isozaki entworfene Convention Center hat eine Fassade, die von gigantischen runden Streben gehalten wird, die an die Äste des Wüstenbaums Sidra erinnern. Der Sidra-Baum ist das, was die Eiche für Deutschland ist, eine Art Nationalheiligtum, das u.a. das Logo der Qatar Foundation ziert. Im weitläufigen Foyer findet sich eine Skulptur in Form einer schwarzen Spinne von der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgois. Die meisten Besucher gehen zwar staunend aber dennoch ganz entspannt zwischen ihren meterhohen Beinen hindurch, die schiere Größe verdrängt offensichtlich die Spinnenphobie der meisten Menschen. Fast alles neu Erbaute hier in Doha ist groß und weitläufig, entworfen offenbar für ein anhaltendes Wachstum von Bevölkerung, Zuwanderung und sicher auch die erhofften Besuchermassen bei künftigen Großereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft 2022. Im Vergleich zur oft beengten Infrastruktur in Deutschland kommt man sich hier oft fast verloren in den Weiten der Räume vor.

Musik und Kultur als Kitt für eine heterogene Gesellschaft

Vor dem Konzertsaal wartet bereits die an Musik interessierte internationale Expatriates-Kommune von Doha, Botschaftsangehörige, aber auch Katarer in westlicher Kleidung und Katarer in traditioneller Bekleidung: er in weiß mit rotem Kopftuch, sie ganz in schwarz, zumeist blitzen hochhackige edle Designerschuhe unter dem Umhang hervor. Kurt Meister kennt hier viele, um nicht zu sagen alle und ist beschäftigt sie zu begrüßen. Die Musiker des Orchesters schlüpfen mit ihren Instrumenten in der Hand zwischen dem Publikum durch das Foyer. Für die In-Crowd gibt es einen Empfang mit Häppchen in der Pause in einem Nebenraum.

Das Orchester ist Teil der gesellschaftlichen Entwicklungsstrategie der Qatar Foundation, der staatlichen Entwicklungsbehörde, die sich mit ihren 4.000 Mitarbeitern aus 100 Nationalitäten neben Kultur auch um Bildung, Innovation und Wissenschaft kümmert und keine geringere Aufgabe hat, als die Zukunft und den Wohlstand des Landes auch in einer fernen Ära ohne Öl und Gas zu sichern. Die einen Staat zusammenhalten muss, deren 300.000 Ureinwohner in ihrem eigenen kleinen Land deutlich in der Minderheit sind und umgeben von rund neun mal so vielen Einwanderern und Gastarbeitern, die hier teilweise bereits in zweiter Generation leben und sich inzwischen in Katar sicherer und mehr zuhause fühlen, als in den einstigen Heimatländern. Die sogenannte Qatarization ist daher eine weitere Aufgabe der Foundation, damit ist gemeint die katarische Bevölkerung auszubilden und sie ebenfalls zu motivieren verantwortungsvolle Jobs anzunehmen.

Modische Farben für ein traditionelles Kleidungsstück. Foto: OHA

Uns begegnen Palästinenser, Syrer, Phillipinos, Inder, Pakistanis, Kenianer, Deutsche und Amerikaner während unserer Reise durch Katar, die auf sehr unterschiedlichem Niveau, aber allesamt gerne hier leben, wegen der vorhandenen Arbeit, der Ordnung, der Sicherheit. Würde Katar von der absoluten Monarchie Abstand nehmen und eine Demokratie oder repräsentative Monarchie nach westlichem Vorbild einrichten, wären die einheimischen Katarer schlagartig in der politischen Minderheit und würden wohl die Kontrolle über ihr Land verlieren – das ist ein nicht zu übersehenes Problem oder gar Schreckensszenario, das diesen Schritt in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich macht, ganz unabhängig von der Bereitschaft der Herrscherfamilie Al Thani von der absoluten Macht überhaupt etwas abzugeben.

Spektakuläre Kunst vor der Frauen- und Kinderklinik

Um einerseits die Forschung und Wissenschaft voranzutreiben und andererseits die Frauengesundheit und damit wohl auch Gebärfreudigkeit der Katarerinnen zu erhöhen, wurde das ebenfalls beeindruckende Sidra Medical Center gebaut, vor dessen Eingang die Großplastik The Miraculous Journey von Damien Hirst zu sehen ist. In einem Fluss stehen über zehn Metallskulpturen, die die Entwicklung von Samen und Ei zum Fötus, Embyo bis hin zum Baby darstellen. Eine spektakuläre Darstellung des menschlichen Werdens, das weither von der Autobahn gesehen werden kann und schonungslos und faszinierend anatomische Details zeigt. Auch im Gebäude selbst gibt es Kunst zu sehen, die die syrische Kuratorin Layla Barhad zusammengestellt hat. Sie hat zunächst Mode studiert, dann Kunst in Frankreich. Sie wundert sich noch immer über das verrückte Jahr 2013, als in wenigen Monaten ebendiese Skulptur, eine Damien Hirst-Ausstellung (Relics) und eine weitere umstrittene Ausstellung von Jake & Dino Chapman namens Chicken das Kunstpublikum in Katar aufrüttelte.

Das Museum for Islamic Art MIA in Doha. Foto: OHA

Auch im Museum für Islamische Kunst von Katar, einem osmanisch-arabischen Bau von I.M. Pei, treffen wir eine Frau in entscheidender Position. Es ist eine nichtmuslimische Deutsche, die dieses Museum leitet. Sie kommt von den Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin, eine Institution, in der man Frauen in Leitungspositionen suchen muss. Hier in Doha ist Dr. Julia Gonella Direktorin eines der größten Museen dieser Art in der arabischen Welt. Sie trägt ihre Haare offen und braucht sich nicht zu verstellen, hier zählt offenbar ihr Sachverstand mehr, als ihr Geschlecht oder die religiöse Etikette des Gastgeberlandes. Auch Julia Gonellas Vorgängerin in der Museumsleitung war übrigens eine Frau. Anders als das Berliner Museum für Islamische Kunst fußt das ihr anvertraute Museum aber nicht auf eigener archäologischer Tätigkeit oder kolonialistischer Eroberungs- und Sammelwut, wie die meisten europäischen Sammlungen, sondern auf einem gut gefüllten Portemonnaie, das die Ausstellungsstücke zur Eröffnung im Jahr 2008 auf dem internationalen Kunstmarkt erwerben half. In dem schneeweißen Bau, mit den ineinander verdrehten Kuben und der osmanischen Kuppel will das Museum die islamische Kunst von Al Andalus bis Persien abbilden. Zum Zeitpunkt unseres Besuches kann man hier eine eine Ausstellung über Syrien sehen, die zwar den Krieg in dem Land nicht explizit thematisiert, dessen Verluste und Zerstörungen von Menschen und Kultur aber dennoch durch die historischen Gegenstände und Bilder schmerzlich bewusst werden lassen. Das Museumscafé bietet dagegen einen spektakulären Ausblick über das Wasser der Bucht auf die Hochhäuser der Westbay.

Al Jazeera - Fünf Kanäle für die arabische und den Rest der Welt

Schwer bewaffnet sind die Sicherheitskräfte vor den Eingängen zum Sender Al Jazeera, dem einzigen weltweit bekannten arabischen News-Sender, das CNN der arabischen Welt. Sein Name verweist auf die arabische Halbinsel, auf der sich neben Katar auch die Vereinigten Arabischen Emirate, der große Nachbar Saudi Arabien, Oman, Bahrain, Kuwait und der Yemen befinden. Sie ist in etwa ein Drittel so groß wie Europa und hat rund 80 Millionen Einwohner. Unser Fahrer ist etwas nervös, doch wir sind angemeldet und dürfen nach genauer Überprüfung von Gepäck und Auto hinein. Dürfen bei unserem Rundgang sogar fotografieren. Keine Selbstverständlichkeit für einen Sender, dessen Außenposten in den Nachbarländern auch schon mal bombardiert wurden, um Berichterstattung zu unterbinden. Auf der Weltkarte der Pressefreiheit des deutschen Vereins Reporter ohne Grenzen hat Katar die Farbe Rot, das ist die zweitschlechteste Kategorie (Schwierige Lage). Katar ist umgeben von vielen Nachbarn in Schwarz (Sehr ernste Lage). Im Ranking des Vereins steht Katar auf Platz 125 von 180, Deutschland im Übrigen auch nur auf Platz 15. Medien dürfen in Katar nur mit Lizenz arbeiten, Kritik am Emir sei verboten, es gäbe etliche Vergehen, für die ein Journalist ins Gefängnis kommen kann, liest man auf der Website von Reporter ohne Grenzen.

Das Gelände von Al Jazeera ist groß, es gibt viele Studios und große moderne Redaktionsräume mit endlosen Reihen von Computerbildschirmen und vielen Mitarbeitern, Frauen arbeiten hier mit und ohne Kopftuch, die Männer ebenfalls teils traditionell arabisch teils modern gekleidet. Als wir den zentralen arabischen Newsroom mit dem Live-Studio betreten, moderiert dort gerade eine aus Deutschland stammende Araberin die Nachrichten. Sie ist eine von rund 3500 Mitarbeitern, erklärt uns der Pressereferent, der nicht namentlich genannt werden will. Der Sender bildet in einer eigenen Akademie auch Journalisten aus und unterhält mehrere digitale Kanäle. Es gibt ein arabisches Programm und ein englischsprachiges, einen Dokumentarfilmkanal, einen für die Region Balkan und einen für Live-Events, der Seminare und Konferenzen überträgt. Die englischsprachige und die arabische Redaktion haben jeweils eigene unabhängige Teams, die sich bei Bedarf gegenseitig unterstützen. Der 1996 gegründete gemeinnützige Sender, der laut eigener Website zum Teil von Katar finanziert wird, unterhält 80 Büros weltweit und hat Mitarbeiter aus 90 Ländern. Gesendet wird aus London, Washington, Doha, Kuala Lumpur.

Alle Religionen seien im Team von Al Jazeera vertreten, ebenso alle Geschlechter und Orientierungen, betont der Pressereferent. Qualität sei ihnen wichtiger als Schnelligkeit mit breaking news. Und - hier wird er auf Nachfrage sehr nachdrücklich: „Wir unterstützen keinen Terrorismus!“ Es sei das Grundprinzip des Senders Al Jazeera Meinung und Gegenmeinung darzustellen, also auch mit Gruppen zu sprechen, die die jeweilige Gegenseite als Terroristen betrachtet. Beschwerden an den Sender kämen daher von vielen Seiten, auch von Islamisten.

Das Al Jazeera beherbergende, finanzierende und bisher vor Schließungsforderungen aus den Nachbarländern schützende Katar werde von kritischer Berichterstattung nicht ausgenommen, man habe in der Vergangenheit daher auch über die Bauarbeiter oder den Vorwurf der Unterstützung von Terrorismus durch Katar berichtet. „Katar ist für uns wie jedes andere Land.“ Man kann hier dennoch den Druck, der von allen Seiten auf diesem Sender und seinen Mitarbeitern lastet, förmlich spüren, auch wenn architektonisch alles hell und freundlich gestaltet ist. Plakate weisen auf den Mut hin, den es braucht Journalist zu sein. Fotos von getöteten Journalisten beweisen, dass die Mitarbeiter hier nicht nur „irgendwas mit Medien“ machen, sondern dass diese Arbeit ernst genommen wird und lebensgefährlich sein kann. Die Konflikte, Kriege und Krisenherde der arabischen Welt, die für uns aus Deutschland weit entfernt auf einem anderen entfernten Kontinent stattfinden, hier liegen sie direkt vor der Haustür und sind das tägliche journalistische Brot. Wir sind froh, als wir die mutigen Journalisten, die in diesem schwierigen und politisch wie oft auch militärisch verminten Umfeld arbeiten müssen und die daneben auch noch allzu häufig mit Gefängnis oder dem Leben bedroht sind, wieder verlassen dürfen.

Ausflugsboote, Pferdezucht, Beduinenzelte

Doha hat neben seinen Veranstaltungshallen, Universitäten und seinem vom Verkehr umtosten Geschäftszentrum mit den Hochhäusern aber auch idyllische Seiten. Da ist der begrünte Hügel im Ortsteil Katara, dem historischen Ortskern des heutigen Doha, auf dem sich Beduinenzelte befinden, in denen man speisen und von denen aus man abends am Lagerfeuer sitzend über die funkelnde Skyline blicken kann und dazu arabische Leckereien gereicht bekommt. Die Corniche, die mit Palmen bepflanzte Uferpromenade wird von traditionellen Dhau-Booten gesäumt. Die einstigen Fischer- und Transportboote aus Holz, dienen heute für Ausflügen aufs Wasser, sie werden vom Bug aus betreten. Ihr Anblick vor dem türkisblauen Wasser, im Hintergrund die Hochhäuser der Westbay, sind bei jeder Tageszeit immer aufs Neue faszinierend.

Pferdezucht und Pferdesport werden ebenfalls in Doha gepflegt. Am Stadtrand, in Al Shaqab, dem Ort an dem die katarischen Beduinen einst in einer Schlacht für ihren unabhängigen Staat gekämpft haben, gibt es ein großes Reitsportstadion, wo internationale Turniere ausgetragen werden und luxuriöse Stallungen für die Zuchtpferde des Emirs. Die anmutigen und zutraulichen Tiere leben hier in blitzblanken Ställen mit Marmorwänden, haben eigene Duschen, einen Swimming-Pool und keine weiteren Aufgaben, außer schön zu sein. Ein Pferdeprofi von den Philippinen kümmert sich um ihr Wohl. Heiß begehrt ist auch die Reitschule der Königlichen Pferdesportanlage, ein exklusives Gartenidyll mit köstlichem Essen ist das dazugehörige Clubrestaurant.

Freizeitvergnügen in der Wüste

Ein paar Kilometer außerhalb Dohas gibt es Wüstencamps, in denen man übernachten kann und wahlweise traditionell auf Kamelen reiten oder motorisiert durch die Wüste brausen. Wem es zu heiß wird, kann sich danach gleich im Meer abkühlen gehen, das hier nie weit entfernt ist. Am Horizont verbrennt an einem Förderturm Gas und zieht eine lange dunkle Fahne über den blauen Himmel, der auch oft von Sandstürmen verschleiert wird. Ein Werbeplakat wirbt für den neuen G5-Mobilfunkstandard, den es hier offenbar sogar schon in der Wüste gibt, während wir in Deutschland noch über das Für und Wider streiten. Ein verschlossener Kiosk, dessen Langnese-Eis-Flagge im Wind weht, steht verloren im gelben Sand. Der Winter, und damit die Wüstentourismussaison, geht gerade zu Ende. Bald wird es hier richtig heiß, und dann kommen nur noch wenige, die dieses extreme Klima erleben wollen, darunter sind viele Deutsche, wie uns unser sympathischer Wüstenführer Mohamad versichert.

Sein baumlanger Kollege heißt Rami und stammt ursprünglich aus Palästina. Im traditionellen weißen Gewand mit rotkariertem Kopftuch nimmt er Platz hinter dem Lenkrad eines mächtigen spielzeugbunten Off-Road-Bus, den wir über eine Treppe besteigen wie ein Flugzeug. Dessen Räder sind mannshoch und extrabreit, damit das Fahrzeug nicht im Wüstensand versinkt. Das massive Gefährt gehört zum Unternehmen Doha Bus und steht für achterbahnartige Rundfahrten über die steilen Sanddünen zur Verfügung. Dass die Wüste hier ein beliebter Ort für motorisierte Gaudis ist, erkennen wir an den vielen Reifenspuren im Sand der Ebenen zwischen den Dünen und an den vielen kleinen Service-Stationen, wo die Autofahrer den Luftdruck ihrer Reifen reduzieren und sie später wieder aufpumpen können.

Bravourstücke zum Einstand des neuen Konzertmeisters

Das QPO beim Einstandskonzert von Reto Kuppel. Foto: OHA

Zurück im Qatar National Convention Center QNCC, einem lang gezogenen Gebäuderiegel mit flachem Dach. Hier befindet sich neben zahlreichen Auditorien, Theater- und riesigen Veranstaltungsräumen auch der Konzertsaal des Qatar Philharmonic Orchestra. Im Auditorium 3, einem rechteckigen Saal mit steil absteigenden Sitzreihen zur tief gelegenen Bühne steht das Eröffnungsprogramm von Reto Kuppel, dem neuen Konzertmeister des Orchesters an. Fast zwei Jahrzehnte hatte er die gleich Funktion im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Kuppel hat sich über ein Jahr immer wieder mit dem Komponisten Henri Vieuxtemps (1820-1881) beschäftigt. Der ist vor allem für seine Violinkonzerte bekannt. Neben Vieuxtemps gibt es daher an diesem Abend als Kontrast auch ein paar Klassikhits von Gioachino Rossini, nämlich die Ouvertüren aus dem Barbier von Sevilla und aus Wilhelm Tell, zu hören. Ausverkauft ist das Konzert nicht, das gelinge hier in Doha zumeist auch nur mit der weitaus populäreren Filmmusik oder großen Stars, erklärt Kurt Meister.

Reto Kuppel ist keinerlei Anspannung anzumerken, als er nach der Rossini-Ouvertüre zu La Scala di Seta zu Vieuxtemps Air Varié, Op. 6 für Violine und Orchester auf die Bühne kommt. Kuppel spielt leidenschaftlich, präzise und auswendig. Es ist ein Bravourstück, wie auch alle folgenden (Andante und Rondo, op. 29, Old England, Fantasia Souvenir de Russie, alle für Violine und Orchester), die bis in höchste Flageolettlagen führen, hohe technische Anforderungen stellen wie den rasanten Wechsel im Spiel con arco und pizzicato. Kuppel zeigt sich trotz eher nüchternem Auftreten musikalisch als Teufelsgeiger, der dies alles mit scheinbarer Leichtigkeit meistert und der am Schluss manchen Stückes trotz komplexester Linien das Orchester unter der Leitung von Marcus Bosch fast noch zu überholen scheint. Der neue Konzertmeister wirkt geradezu aufreizend gelassen, souverän und zeigt keine Schwächen. Seinen Einstand hat er offenbar gut vorbereitet. Am Ende des Abends heimst Kuppel dafür lang anhaltende stehende Ovationen ein. Einen besseren Einstand kann man sich kaum wünschen.

In den nächsten Wochen geht es weiter für ihn und das Orchester mit Musik aus Video Games, Filmmusik aus James Bond und Harry Potter, Werken von Berlioz, Brahms und Tschaikowsky, der katarischen Komponistin Dana Al Fardan und den libanesisch-französischen Komponisten Marcel & Rami Khalife. Langweilig wird es dem Publikum und den Musikern des Orchesters damit sicher nicht, und für Architektur-, Kultur- und Musikliebhaber könnte Katar durchaus eine Destination werden, für die sich eine Verlängerung der Zwischenlandung oder gar das Verweilen lohnt.

Oliver Hafke Ahmad

Dieser Bericht wurde ermöglicht durch Unterstützung der Qatar Foundation.

Eine interessante Ergänzung zu diesem Thema ist eine Dokumentation, die gerade beim Sender Arte zu sehen war und noch bis 31.07.2019 in der Mediathek verfügbar ist: Wüste Prinzenspiele - Der neue Golfkrieg. Sie thematisiert die junge Herrschergeneration in den drei Ländern Saudi-Arabien, Katar und Vereinigte Arabische Emirate und ihre teils albernen, teils lebensbedrohlichen Rivalitäten, Machtkämpfe und ihre Konkurrenz untereinander.

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